Mit dem Bildungsstrand, an den wir Vertreter:innen von Bildungseinrichtungen zum Kennenlernen unserer Räume und Zukunftspläne eingeladen hatten, ging nach sieben Tagen das erste ZAMstival zu Ende. Seit der Eröffnung am 6. Juli 2022 waren wir oft bis weit in den Abend Gastgeber und Drehscheibe für Entdeckungen und Erlebnisse mitten in der Altstadt.
Am Eröffnungstag stand das Kreationsregal und alle, die es mit ihren Werken bereichert haben, im Mittelpunkt. Das hat so viel Spaß gemacht, daß wir dieses Format vierminütiger Kurzpräsentationen eigener Werke in Zukunft regelmäßig anbieten wollen.
In den folgenden Tagen ging es um praktische Anleitung, etwa bei der Computersprechstunde mit Richard Scholl vom Seniorennetz oder beim Myzel-Workshop mit dem Fungarium, aus dem das kleine Einmaleins der Pilzzucht quasi im Eimerchen mitzunehmen war. Wir beleuchteten Hintergründe, etwa wenn Julian Hammer über die Software aus dem ZAM sprach, die uns nicht nur hilft, die Türe mit dem Smartphone zu öffnen, sondern die auch die Schrauben und Muttern aus dem Ex-Greiner im zukünftigen Werkstatthaus verwalten hilft. Bei Alex Tafels Einführung ins Do-It-Yourself Bierbrauen lag der Malzgeruch schon fast in der Luft. Und Jürgen Weigert erzählte die Entwicklung der ersten mechanischen Rechenmaschine vor vierhundert Jahren wie einen spannenden Krimi, der geradewegs an den Lasercutter unserer Tage führt. Denn dort können sich alle Neugierigen dank seiner Open-Source-Nachbauanleitung mit diesem Geistesblitz des Astronomen Wilhelm Schickard aus den Jahren um 1623 vertraut machen – bis ins letzte Zahnrad. Dank Kooperation mit Edwin Aures, dem Leiter der bedeutenden Informatiksammlung ISER an der FAU, stand ein mittlerweile selbst historischer erster Nachbau dieser Rechenmaschine bei uns, aus der Zeit um 1960. Neben weiteren spektakulären Exponaten.
“Ist Machen gut?” – Moderiert von Rolf Klug (Verbindung der Welten), einigte sich ein kleiner Kreis gleich am zweiten Abend darauf, daß das Machen dann auf einer guten Spur ist, wenn Freude und Liebe zur Sache dabei ist. Und daß es einen Unterschied macht, ob ein Prototyp entsteht oder eine Großserie. Makerspaces sind Lernorte für die ganze Gesellschaft, weil dort nicht die Logik der Masse, sondern die Logik des Unikats herrscht. Einer meinte, daß er in solchen Umgebungen häufig persönliche Momente blitzartiger Erkenntnis erlebt, die ihn nachhaltig beeinflussen. Denn wo viel experimentiert und gespielt wird, da sieht man auch mehr, auf das man schon lange unbewusst gewartet hat – bis es dann eines Tages “klick” macht.
Überhaupt, die Faszination von Maschinen und Konsolen und Software: Dank der Nerds (im positivsten Sinne!) von Bits’n’Bugs, dem lokalen Ableger des Chaos Computer Clubs, lief bei Digital Vintage jede Menge liebevoll gehegte und gepflegte “antike” Gaming Software von der MusiCassette oder Floppy-Disk. Ganz zur Freude auch der jüngsten Besucher, die auf diese Weise Bekanntschaft mit einem noch sehr grobkörnigen Super Mario aus den Neunzigern machen konnten.
Wenn die Halbwertszeit des (Fakten-)Wissens sinkt, wie manche behaupten, steigt der Wert des Experiments und des spielerischen Ausprobierens. Deswegen hieß es am Sonntag “Wir spielen den ganzen Tag!”. Da waren kunstvolle Spiele aus der Spiele-Entwickler-Gruppe um Monsieur Bernard auf dem Spieltisch, nicht nur selbst erdacht, sondern auch selbst gemacht. Fast ungeplant entstanden daneben so praktische Spielzeuge wie ein Rauchringgenerator und eine Indoor-Minigolf-Station.
KNOW HOW TEILEN MACHT STÄDTE STARK stand über der offenen Gesprächsveranstaltung am Montagabend, 11. Juli, die den Besuch der Fördergeldgeber aus Bonn und Berlin abrundete. Mit dem Post-Corona-Stadt-Projekt haben wir es vor einem Jahr geschafft, über vierzig Ideen zu sammeln, wie große und kleine Krisen in der Stadt besser überwunden werden können. Heute sind daraus über zwanzig (Teil)Projekte erwachsen, die von der Nationalen Stadtentwicklungspolitik und der Stadt Erlangen gefördert und von uns im ZAM unterstützt werden. Die meisten davon waren während des ZAMstival in der gleichnamigen Ausstellung zu sehen, viele der Initiatorinnen und Initiatoren waren selbst anwesend.
Von der grünen Oase vor unserer Tür bis zu Rikschas als ungewöhnliches Set für Gespräche mit schwer zu erreichenden Bürgern, von der Leerstandsanalyse zum Wohl der freien Kunstszene bis zum selbstgebauten vernetzten Umweltsensor: Die Stadt wird auf vielen Ebenen weiter gedacht und weiter gebracht. Ganz im Sinne des Grußwortes von OB Janik, der herausstellte, daß die Herausforderungen aus dem strukturellen Wandel in der Stadt Gemeinschaftsaufgaben sind, bei denen Verwaltung, Politik und die Bürgerinnen und Bürger in neuer Weise zu Kooperationen finden müssen. Er meinte dabei durchaus das Projekt ZAM als Ganzes, das bundesweit beispielhaft ist.
Die Kooperationspartner für solch einen Prozess waren durchweg vertreten: Neben Andrea Jonas vom BBSR (Bundesinstitut für Bau- Stadt- und Raumforschung), Anna Bernegg und Julia Klink von der Agentur Urban Catalyst, die das Projekt auf Bundesebene betreuen, waren die Spitzen der Erlanger Kulturverwaltung und Stadtplanung sowie der Wirtschaftsförderung im Haus, und viele der angesprochenen Aktiven und am Stadtleben Interessierten. Das Ergebnis des Abends: Experimentierklauseln und Ausnahmeregelungen sind wertvolle Instrumente, um Prototypen “auf die Straße” zu bekommen. Dann kann es über gemeinsame Erlebnisse zu einer neuen Kultur der Ko-Kreation auch bei der Stadtentwicklung kommen.
Vieles mehr ist passiert in diesen sieben Sommertagen – wir haben musiziert, getanzt, neue Gesichter begrüßt. Und auch bekannte: Ingo Di Bella, Initiator des Nürnberg Digital Festivals, war mit seinen Kindern am Spiele-Sonntag zu Besuch. Für den Schreiber dieser Zeilen war es ein déjà-vu – ziemlich genau vor drei Jahren standen wir ein paar hundert Meter weiter südlich in den Räumen des alten Landratsamtes zusammen, in einem “temporären urbanen Experimentierraum” namens ex-Teppich. Und alle träumten davon, eines Tages eine feste Adresse fürs Austauschen und Machen in Erlangen zu haben …
Fotos: Conrad Hesse, Jochen Hunger, Maik Musall, Katharina Zeutschner